ARCHIVALIA BALTICA ONLINE
Tartu/Dorpat zum Kulturhauptstadtjahr 2024
11. Ausgabe (Juli 2024)
Richard Mölder – der Lebensweg
Richard Mölder wurde 1887 in Karula/Karolen im Ksp. Otepää/Odenpäh geboren. 1903 begann er eine Lehre in der Druckerei F. Karlson in Valga/Walk, bis Karlson im Zusammenhang mit den politischen Ereignissen von 1905 seine Heimat verlassen musste und nach Berlin ging. Mölder setzte seine Ausbildung fort u.a. bei der Firma Carl Emil Mattiesen (Nachfolger) in Tartu/Dorpat. Nach verschiedenen kurzen Anstellungen ging er 1910 als Mitarbeiter zu Karlson nach Berlin. Wegen des Ersten Weltkriegs war eine Rückkehr in die Heimat unmöglich, so dass Mölder bis zum Ende des Krieges in Berlin verbleiben musste. 1915 heiratete er in Berlin-Steglitz die deutsche Staatsangehörige Maria Martha Purps. Zusammen mit Karlson und Mihkel Martna (1860–1934) war Mölder 1919 vor Aufnahme der offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Estland im Estnischen Sekretariat in Berlin tätig. 1920 konnte er nach Estland zurückkehren, wurde 1922 Leiter der Druckerei „Talwik“ in Tallinn/Reval und 1923 Mitarbeiter der Zeitung „Postimees“ in Tartu, anschließend Leiter (Direktor, später auch Teilhaber) der Druckerei und des Verlags Carl Mattiesen ebendort. Er war Mitglied der Estnischen Drucker-Gesellschaft. 1935 gehörte Mölder dem Komitee an, das das Jubiläum 400 Jahre Buchdruck in estnischer Sprache vorbereitete.
Er nahm mit seiner reichsdeutschen Frau und seinen beiden Töchtern im Februar 1941 an der Nachumsiedlung teil. Nach der deutschen Besetzung Estlands wurde Mölder im Juli 1942 treuhänderischer Leiter von Mattiesens Buchdruckerei in Tartu. Im März 1943 wechselte er in gleicher Eigenschaft zur Verlagsdruckerei „Tallinna Eesti Kirjastus Ühisus“ nach Tallinn. Im April 1943 beantragte er die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Antrag wurde im Januar 1944 vom „Reichskommissar für das Ostland“ positiv beschieden. Im Sommer 1944 kehrte Mölder nach Deutschland zurück und lebte bis zu seiner Pension 1952 und danach bis zu seinem Tod am 17. Febr. 1974 mit seiner Familie in Dessau (Sachsen-Anhalt). Im Juni 1944 übersandte Richard Kivit aus Tallinn ein Exemplar des Buches von Paul Ambur mit einer Widmung an Frau Mölder.
Der Nachlass wurde vermutlich durch die Witwe Mölders oder ihre Erben der Carl-Schirren-Gesellschaft übergeben. Er enthält vor allem Grußadressen in estnischer Sprache zu Lebens- und Berufsjubiläen Mölders mit zahlreichen Unterschriften seiner Kollegen und Mitarbeiter, dazu zahlreiche Ex-libris-Drucke.
Richard Kivit – sein Lebensweg und seine Bedeutung als Ex-libris-Künstler
Richard Kivit gehörte zu den engsten künstlerischen Vertrauten von Mölder. Beide waren freundschaftlich verbunden. Kivit wurde 1888 in Tartu/Dorpat geboren und starb 1981 in Ludwigsburg. Er war ein bekannter estnischer Karikaturist, Buchillustrator und Künstler. Er hatte im Lehrerseminar seiner Heimatstadt die Grundausbildung bekommen und besuchte später das Hugo-Treffner-Gymnasium ebendort. 1904 bis 1905 studierte er Kunst in der Dorpater Deutschen Kunstgewerbegesellschaft unter der Leitung von Rudolph Julius v. zur Mühlen (DBBL, S. 534). 1910 erschienen seine ersten graphischen Arbeiten als Illustration eines russischen Lehrbuchs. Danach folgten Veröffentlichungen in zahlreichen anderen estnischen Zeitschriften. Kivit verdiente seinen Lebensunterhalt überwiegend als Zeichner und Zeichenlehrer.
Nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete er an Schulen in Tartu/Dorpat und vervollständigte 1921/22 seine Kenntnisse bei Hans Herrmann (1858-1942) (Berliner Akademie der Künste) in den Kategorien Aquarell und Graphik. Ab 1935 arbeitete er als Graphiker beim estnischen Verlag „Ilutrükk“ und gehörte zur Leitung des Literatur- und Kunstklubs in seiner Heimatstadt.
1944 floh Kivit wie Tausende seiner Landsleute vor der Roten Armee nach Deutschland und ließ sich in Württemberg nieder, lebte lange Zeit und bis zu seinem Tode in Ludwigsburg nördlich von Stuttgart. Er arbeitete eng mit dem Herba-Verlag in Plochingen am Neckar und mit Museen in Stuttgart und Karlsruhe zusammen.
Für Estland hat er bleibende Bedeutung als Kinderbuchillustrator, als Ex-Libris-Künstler sowie 1936 als Schöpfer des Altarbildes „Christus und Petrus auf dem Meer“ für die neue Maria-Magdalena-Kirche in Mõisaküla/Moiseküll.
Paul Ambur hat in der unten genannten Veröffentlichung über Richard Kivit berichtet, dass dessen Gestaltung der einzelnen Ex-Libris-Stücke nicht immer in einem direkten Bezug zum Auftraggeber stünden.
Bei dem hier abgebildeten Exemplar für Richard Mölder gibt es jedoch eindeutige Hinweise auf seine Persönlichkeit: Da ist das große Buch, das für ihn als Drucker steht. Der Bücher in der Kiepe tragende Mann könnte als Sinnbild für den Verleger stehen, der seine Bücher unters Volk bringen möchte. Und nicht zuletzt ist eine Windmühle abgebildet: „Mölder“ heißt auf Deutsch „Müller“.
Dorothee M. Goeze
Literatur
Ambur, Paul: Richard Kiviti Raamatuviitadest [Richard Kivits Zeugnisse aus Büchern]. Tartu: Verlag Postimees 1943 (Aufl. 50 Ex., im Nachlass Mölder das 43. Ex. mit Unterschrift des Verfassers).
Pajo, Henno: Richard Mölder surnud. In: Eesti Hääl (London), 1.3.1974. (Nachgewiesen im Presseausschnittarchiv des Herder-Instituts Marburg, Bestand E 29.)
Vikipeedia: Richard Kivit.